Theodor Chindler: Roman einer deutschen Familie (B00KWDBQYY) by Bernard von Brentano

Theodor Chindler: Roman einer deutschen Familie (B00KWDBQYY) by Bernard von Brentano

Autor:Bernard von Brentano [von Brentano, Bernard]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Schöffling & Co.
veröffentlicht: 2014-09-02T04:00:00+00:00


11

Maggie wanderte in ihrer Zelle auf und ab. Nun war eingetroffen, was Caspar Koch ihr viele Male vorausgesagt hatte: Wenn ihr etwas zustoße, werde ihre Familie die letzte sein, die sich um sie kümmere. Maggie hatte es nicht glauben wollen; sie sei die einzige Tochter, ihre Brüder seien auch noch da, ihre Mutter habe zwar eine harte Haut ums Herz, aber trotzdem ein Herz.

Schließlich hatte sie mit Koch nicht mehr über das Thema gesprochen. Sie liebte es nicht, wenn er solche Erörterungen zum Anlaß nahm, Eimer voll beißender Bemerkungen (an denen er unerschöpflich war) über ihre Familie zu schütten. Sie betrachtete sich als seine Frau, hatte sie ihm ein für allemal geantwortet, und sie handle mit ihm und für ihn, sowohl aus Liebe als auch aus Überzeugung. Jawohl, er habe sie überzeugt, sie teile seine Ansichten, und brauche keine Rückversicherung. Wenn sein Weg gefährlich sei, so sei es ihrer eben auch; die tausend andern, die ihn gingen, hätten auch keine Eltern für alle Fälle im Hintergrund. Auf Koch wolle sie bauen, auf sonst niemanden.

Koch hatte geschwiegen, nach seiner Gewohnheit, fruchtlose Erörterungen an einem gewissen Punkt abzubrechen. Aber Maggie wußte, daß er das, was sie ihren Stolz und er ihre Hartnäckigkeit nannte, nicht billigte; seinen Ansichten entsprach mehr, Hilfsmittel, die in Reichweite waren, zu gebrauchen, mindestens zu versuchen, sie zu gebrauchen.

Maggie setzte sich auf die Pritsche. Das Licht war ausgelöscht worden; aber ihre Gedanken verscheuchten den Schlaf. Jetzt, wo es zu spät war, erkannte sie, daß sie sich noch weit falscher benommen hatte, als ihre Mutter. Daß es in dieser verd … Zelle kein Telefon gab! Mit fünf Sätzen hätte man alles wiedergutmachen können, was man nun bis zum nächsten Wiedersehen mit sich herumschleppen mußte, giftiges Gepäck für die Nerven.

Natürlich war das Jammern ihrer Mutter aufreizend. Ich leide, ich bin gebrochen, ich bin, ich weiß nicht was, ich, ich, ich, ich, ich …! bis zum Überdruß immer nur ich und noch einmal ich!

Aber das wußte sie doch … das war ihr doch nun im Umgang mit Koch klar geworden, daß diese … nun ja … die Sorte von Menschen so reagierte, um die Wahrheit zu sagen – nicht besonders mutig.

Wie dumm, wie widerwärtig, wie demütigend, daß Koch recht behielt, der dieses Verhalten vorausgesagt hatte!

Ach, ich verlange ja gar keine Hilfe, dachte Maggie, obgleich ich jetzt jede Hand anfassen würde, die mich aus diesem stinkenden Loch herausholen könnte … aber wie langweilig war das alles.

Sie verspürte Lust, eine brennende Lust, die ihr das Blut zu Kopf trieb, ihrer Mutter oder jedem, der sonst kommen würde, vor Beginn der nächsten Unterredung zu sagen: Es gibt zwei Seiten in dieser Sache: meine und die andere, auf der die Polizei sitzt. Entscheide dich für eine. Wenn du dich entschieden hast, stell dich auf die gewählte Seite, aber ganz und gar, ganz und gar!

Wie dumm der Untersuchungsrichter war. Der Mensch hatte ja keine Ahnung von dem, was in der Arbeiterschaft vor sich ging.

Wie still es war … Viel stiller als im Krankenhaus. Was man wohl dort dachte?

Ach, das war ja ganz gleichgültig.



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